Wieviel Selbstorganisation passt zu uns?
29.8.2018 von Silke KrischkeDie Managementliteratur wird derzeit dominiert von Begriffen wie New Work, Agilität, Selbstorganisation. Irgendwie gewinnt man den Eindruck, dass Organisationen nur dann langfristig erfolgreich sind, wenn sie nur noch in selbstorganisierten Teams und Einheiten arbeiten. Es stellt sich die Frage, ob dies tatsächlich der Fall ist. Ist Selbstorganisation für alle Aufgaben sinnvoll? Mitnichten!
Konventionelle Strukturen geben Stabilität
Konventionelle Hierarchien werden auch in Zukunft wichtig sein, wenn Stabilität und Verlässlichkeit von Prozessen, Produkten und Leistungen gefordert ist. Müssen Aufgaben nach definierten Standards erledigt werden, um beispielsweise gesetzliche Vorgaben einzuhalten oder Kundenanforderungen zu gewährleisten? Gibt es klare Routinen, die umzusetzen sind? Dann sind traditionelle Strukturen wichtig.
Neue Organisationsprinzipien für Anpassungsfähigkeit und Agilität
Dieses Modell funktioniert jedoch nicht mehr für Aufgaben und Bereiche, die zu gestalten sind. Die zunehmende Komplexität der Arbeitswelt und die rasante Geschwindigkeit, in der sich Veränderungen vollziehen, bedingen neue Organisationsformen, die in der Lage sind, agil, flexibel und anpassungsfähig auf diese Veränderungen zu reagieren. Sie bedingen Konzepte agiler Kooperation, Entscheidungsfindung und Steuerung.
Ist Ihre Organisation reif für die Selbstorganisation?
Um diese Fragen zu beantworten, sollten Sie zunächst analysieren, in welchen Bereichen oder für welche Aufgaben Sie mehr Agilität benötigen? Selbstorganisiertes Arbeiten kann, darf und muss in Abhängigkeit von den Gestaltungsräumen der Mitarbeiter und den Markterfordernissen mit traditionellen Arbeitsstrukturen und -prozessen einhergehen.
1. Sind Ihre Mitarbeiter bereit und fähig, selbstorganisiert zu arbeiten?
Damit Mitarbeiter, Teams oder Einheiten in verbindlichem und klar kommuniziertem Rahmen entscheiden und arbeiten können, sind neue Kompetenzen erforderlich. Mitarbeiter müssen fähig und in der Lage sein, Chancen eigenständig wahrzunehmen und zu nutzen. Sie müssen aber auch Risiken erkennen, analysieren und lösen. Es ist Aufgabe der Führungskraft, hierfür Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Neben Kommunikations- und Ausdrucksfähigkeit zählen dazu insbesondere Feedbackmethoden sowie Fähigkeiten in der Moderation und der konstruktiven Klärung von Konflikten.
2. Sind Sie als Führungskraft bereit für die Selbstorganisation?
Vergessen Sie den Gedanken, dass Selbstorganisation Führungsaufgaben verzichtbar macht. Dies ist definitiv nicht der Fall. Selbstorganisation bedingt vielmehr eine andere Art der Führung. Es ist Aufgabe der Führungskräfte, die Räume und Rahmenbedingungen für das Gelingen zu schaffen:
- Vermitteln Sie Ihren Mitarbeitern den Sinn für das selbstorganisierte Arbeiten. Es geht darum, frühzeitig Veränderungen zu erkennen und in möglichst kurzen Zyklen darauf zu reagieren.
- Definieren Sie den Sinn und den Zweck des unternehmerischen Handelns in der Organisation und diskutieren Sie dies mit Ihren Mitarbeitern und Teams. Verdeutlichen Sie Ihren Mitarbeitern, welchen Beitrag sie durch ihr Tun am Unternehmenserfolg leisten.
- Stellen Sie alle erforderlichen Informationen zur Verfügung, die Ihre Mitarbeiter benötigen, um verantwortungsvoll und eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen.
- Vertrauen Sie auf die Erfahrung und Expertise Ihrer Mitarbeiter und beschränken Sie sich verbindlich Ihrer eigenen Machtfülle, indem Sie Ihren Mitarbeiter die Entscheidungskompetenz dort geben, wo die Dinge geschehen.
- Unterstützen und begleiten Sie Ihre Mitarbeiter als Coach beim eigenverantwortlichen Handeln.
- Schaffen Sie Offenheit auf allen Ebenen, reißen Sie Kommunikationsbarrieren ein, begründen Sie eigene Entscheidungen und beziehen Sie Ihre Mitarbeiter aktiv in Entscheidungsprozesse ein.
- Fördern Sie die Entwicklung Ihrer Mitarbeiter und geben Sie entwicklungsförderndes Feedback.
- Stellen Sie Fragen, statt nur Antworten zu geben.
3. Ermöglichen Sie die Entwicklung einer Kultur des Vertrauens
Selbstorganisation kann nicht von oben verordnet werden. Sie entsteht, wenn Mitarbeiter Verantwortung übernehmen sollen, wollen und dürfen und wenn Führungskräfte Freiräume und Verantwortungsräume konsequent und verbindlich bieten. In selbstorganisierten Teams wird von Mitarbeitern mehr verlangt, als „nur seinen Job zu machen“, indem sie Anweisungen befolgen, ohne viel nachzudenken. Mitarbeiter sollen Verantwortung für das große Ganze übernehmen und Entscheidungen im Sinne des Teams und des Unternehmens treffen. Dies bedingt ein neues Verständnis über die Art der Kommunikation und Zusammenarbeit:
- Ein Gefühl von Verbundenheit und Sicherheit,
- ein wertschätzendes und respektvolles Menschenbild,
- ein Bewusstsein für die Ziele der Organisation und der Kunden,
- die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung und
- eine hierarchie- und funktionsübergreifende Verbindlichkeit in Zusagen und deren Umsetzung
Selbstorganisation braucht klare Regeln
Selbstorganisation braucht Voraussetzungen, um erfolgreich zu sein. Es reicht nicht aus, vorhandene Regeln zu lockern und mehr Freiräume zu bieten. Auch moderne und agile Unternehmen brauchen verbindliche Formen und Regeln, um Kontrolle, Koordination und Kommunikation sicher zu stellen.
Es gibt kein One-size-fits-all-Modell für die Selbstorganisation
Jede Veränderung braucht den individuellen Blick auf die Organisation, deren Kultur, die Struktur, die Menschen und die Anforderungen. Der Weg zur Veränderung ist kein leichter Weg, aber ein lohnenswerter. Jeder Kulturwandel braucht Zeit und Durchhaltevermögen. Das Tal der Tränen wird auch in diesem Veränderungsprozess auf Sie warten. Der Weg hinaus führt hindurch.