Konflikte in Teams – 7 Wege, damit Selbstorganisation klappt

Konflikte in Teams – 7 Wege, damit Selbstorganisation klappt

22.1.2020 von Silke Krischke

Die Agilisierung von Organisationssystemen und die Bemühungen von Unternehmen zur Entwicklung selbstorganisierender Einheiten sind Initiativen, die seit einigen Jahren zunehmende Verbreitung finden. Unternehmen suchen Wege, um die wachsende Komplexität von Kunden- und Marktanforderungen besser bewältigen zu können. Durch den Wegfall von Hierarchien und zentralen Instanzen sollen die Prozesse schlanker, schneller, wendiger und flexibler gestaltet werden, um frühzeitig auf sich ändernde Anforderungen reagieren zu können. Mehr Nähe zum Kunden, ein besseres Verständnis deren Bedürfnisse und darauf ausgelegte bessere Service-Leistungen sollen eine höhere Qualität von Produkten und Leistungen ermöglichen. Gleichermaßen versprechen sich die Führungsverantwortlichen, dass die Förderung von mehr Eigenverantwortung auch den Mitarbeitern zugutekommt, deren Motivation und Leistungsbereitschaft erhöht und dabei Kosteneinsparungen nach sich zieht. Das hört sich an wie im Märchen! Eine wundervolle Welt, in der der Prinz (die Organisation) die Prinzessin (die Kunden) erlöst, auf Händen trägt und alle ihre Wünsche von den Augen abliest und erfüllt. Und auch die Zwerge (die Mitarbeiter) erhalten ausreichend Bergwerke und Wirkungsräume, um sich entsprechend ihrer Fähigkeiten und Neigungen mit Freude und zum Wohl der Gesellschaft einzubringen. Jeder in unserer Geschichte tut auf natürliche Weise das Richtige und weiß genau, was gebraucht wird und nötig ist. Und wenn sie nicht gestorben sind…

Sie wissen, liebe Leser, wie diese Geschichten in der Regel weitergehen… Doch wie sieht das in der Wirklichkeit aus, in der Wirklichkeit der sich selbst organisierenden Systeme und Organisationseinheiten? Ich arbeite seit einigen Jahren in und mit diesen Systemen und erlebe immer wieder, wie schwer es den Menschen fällt, die sich ihnen stellenden Herausforderungen und damit einhergehende Konflikte zu bewältigen.

Konflikte können vielfache Ursachen haben

Konflikte entstehen meist aufgrund von Missverständnissen, Meinungs- und Interessensunterschieden, Unterschiedlichkeiten in Sichtweisen, Sprachen, Kulturen oder Werten. Während hierarchische Strukturen Gestaltungsräume einschränken, so begrenzen sie auf der anderen Seite das Konfliktpotenzial. In hierarchisch organisierten Strukturen sind Zuständigkeiten klar. So wird „Gerangel“ um Rollen vermieden und das soziale Korsett der Hierarchie hält das Miteinander zusammen. Entstehen Konflikte, kann deren Klärung getrost den Führungskräften überlassen werden – die kümmern sich schon… (hoffentlich).

Was passiert mit Konflikten in selbstorganisierten Systemen?

In selbstorganisierenden Systemen können ungeklärte Handlungsweisen im Konfliktfall zu systemzerstörenden Dynamiken führen. Teams sind überfordert und nicht in der Lage, Konflikte zu klären. Eine Scheinagilität entsteht, deren Grundlage die vermiedene Auseinandersetzung mit Konflikten ist. Dies wirkt sich unweigerlich auf die Produktivität des Teams und deren Zielerreichung aus.

Auf der anderen Seite bergen Konflikte, wenn sie zeitnah und konstruktiv besprochen werden, das Potenzial zur Entfaltung von Ideen, Kraft und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter. Denn dort, wo Reibung entsteht, kann sich Neues entwickeln. Mitarbeiter in selbstorganisierenden Systemen benötigen die Entwicklung von Kommunikations-, Konflikt- und Kooperationskompetenzen, wofür Organisationen Rahmenbedingungen schaffen müssen. Dazu zählen:

  • eine angstfreie Kultur, die Mitarbeiter als ganze Menschen mit ihren Bedürfnissen und Emotionen wahrnimmt,
  • eine Reife der Organisation, die Raum für die Erarbeitung von Lösungswegen schafft und diese Ideen würdigt.

Konfliktdynamiken fordern selbstorganisierende Teams heraus

1. Selbstorganisierte Teams brauchen eine offene, vertrauensvolle, von Fairness und Respekt geprägte Kultur

Situation: Ein Zirkel erhält einen neuen Task zur Bearbeitung für den nächsten Sprint. Es gibt Teammitglieder, die Sorgen haben, dass die Ziele mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht erreicht werden. Sie schweigen, äußern ihre Bedenken nicht. Im Verlauf des Sprints erhärten sich die Sorgen, die Zielerreichung ist gefährdet, die Konfliktdynamik wächst. Ohne eine offene, respekt- und vertrauensvolle Kultur bleiben Bedenken und Risiken im Verborgenen. Kommunikationswerkzeuge wie Retrospektiven, Willensbildungsprozesse etc. unterstützen die Entwicklung einer wertschätzenden Team- und Kommunikationskultur.

2. Selbstorganisierte Teams brauchen ein gemeinsames Verständnis von Sinn und Zweck

Situation: Ein Unternehmen möchte die Idee der Selbstorganisation aufgreifen und implementieren. Es gibt Kollegen, die sich seit längerem mit dem Thema beschäftigt haben. Sie treffen auf Menschen, die zum ersten Mal von Selbstorganisation hören. Sinn und Zweck, das ‚Warum-tun-wir-das‘ der angestrebten Veränderung sind diesen unklar. „Vorpreschen“ der Kollegen verstört, sie fühlen sich überrollt, nicht abgeholt, nicht mit ihren Sorgen wahrgenommen und gesehen. Innere Blockaden und Widerstände können entstehen, Ängste suchen sich Raum.

3. Selbstorganisierte Teams schaffen Vereinbarungen für die Kommunikation

Situation: Das tägliche Shop-Floor-Meeting beginnt. Jeder redet durcheinander. Jeder versucht, Raum zu bekommen, es wird lauter, die Emotionen kochen zunehmend höher. Der Moderator ist selbst inhaltlich engagiert und betroffen. Einzelne nehmen für sich einen hohen Redeanteil in Anspruch. Klarheit über Rollen, gemeinsame Gesprächsregeln und Rituale fördern die sachliche und effiziente Abstimmung.

4. Selbstorganisierte Teams brauchen klare Ziele und Entscheidungsprozesse

Situation: Die im Teilprojekt erarbeiteten Ergebnisse werden im Team zur Entscheidung und Freigabe vorgestellt. Nicht allen an der Entscheidungsfindung beteiligten Menschen sind Projektauftrag, Abnahmekriterium (Ziel) und das angewandte Entscheidungsverfahren ausreichend bekannt. Der Entscheidungsprozess führt nicht zu dem von der Mehrheit erwünschten Ergebnis. Abstimmungen, nachträgliche Klärungen und Maßnahmen verzögern die Produktfreigabe und erhöhen den Ressourceneinsatz. Kenntnis von Entscheidungswerkzeugen und Verständnis für die Arten von Entscheidungsbedarfen helfen, zielgerichtet und effizient zu handeln.

5. Selbstorganisierte Teams brauchen Transparenz über Rollen und Verantwortlichkeiten

Situation: Beim Treffen des selbstorganisierten Netzwerks sind neue Mitglieder anwesend. Nach einer kurzen Einführung in die Arbeitsweise werden die Fortschritte der Stories in Bearbeitung durch die Story Owner vorgestellt. Unklare Rollen, fehlende Kenntnis von Verantwortlichkeiten oder auch Personen, die zeitweise zwei oder mehr Rollen in sich vereinen, verunsichern die Neuzugänge im Netzwerk. Die Irritationen gefährden Engagement und Motivation und können zu Konflikten führen, wenn neue Verhaltensweisen auf unausgesprochene, im Netzwerk verankerte Handlungslogiken treffen.

6. Selbstorganisierte Teams brauchen Kompetenzen und Vorgehensweisen für die Konfliktklärung

Situation: Ein Konflikt bricht sich Raum. Bei der Auseinandersetzung mit der Situation erbittet die betroffene Person die selbstorganisierte Klärung des Konfliktes im Team. Andere im Team fordern, dass eine außenstehende unabhängige Person umgehend zur Unterstützung bei der Aufklärung hinzugezogen werden solle. Die vom Konflikt Betroffenen zögern, wünschen Diskretion, Vertraulichkeit, Schutz und einen Klärungsversuch im Team. Konfliktkompetenzen und Vorgehensweisen fördern selbstorganisiertes Handeln im eigenen Team und geben Konfliktbeteiligten Vertraulichkeit und einen geschützten Rahmen.

7. Selbstorganisierte Teams brauchen Klarheit über Eskalationsmechanismen

Situation: Neben dem Bedarf an Konfliktlösungskompetenzen verdeutlicht die unter Punkt 6 vorgestellte Situation einen weiteren Aspekt: Es braucht Prinzipien zum Umgang mit Konflikten. Bernd Oesterreich und Claudia Schröder haben in Ihrem Buch „Das kollegial geführte Unternehmen“ sieben Grundprinzipien rund um die Konfliktlösung beschrieben:

  • Konfliktparteien sollen ihren Konflikt inhaltlich und sozial selbst lösen, dafür benötigen sie das Wissen und das Können der dafür notwendigen Praktiken. Sie erhalten aber gerne Unterstützung auf der Prozessebene.
  • Die im Unternehmen möglichen Konfliktlösungsverfahren müssen allgemein bekannt, eingeübt und leicht zugänglich sein.
  • Die Eskalationsstufen und Verantwortlichkeiten innerhalb der Organisation müssen bekannt und zeitlich verfügbar sein (Stichwort Vertrauensperson).
  • Jeder, der ein Problem oder eine Spannung erkennt, die noch nicht hinreichend bearbeitet wird, hat unabhängig von seinen Zuständigkeiten die Verantwortung, darauf zu reagieren und einen angemessenen Klärungsprozess zu initiieren (Stichwort Eigenverantwortung).
  • Die Interessen und Bedürfnisse jedes Einzelnen sind unbedingt zu respektieren – die Interessen und Bedürfnisse der Gemeinschaft haben im Zweifelsfall aber immer Vorrang vor den individuellen.
  • Störungen gehen vor! Die Klärung sozialer Probleme lässt sich nicht aufschieben und hat Vorrang.
  • Jeder hat die Verantwortung, für sich selbst zu sorgen, darf aber eine grundlegende fürsorgliche Wertschätzung der Kollegenschaft erwarten.

Sie möchten mehr über die Einführung von Selbstorganisation und/oder die Klärung von Konflikten erfahren? Dann freue ich mich darauf, Sie kennen zu lernen. E-Mail

FRAGEN?

Sie haben Fragen, Anregungen oder Gedanken zu meinen Blog-Beiträgen? Ich freue mich auf Ihre Nachricht.

KONTAKT

Silke Krischke
Dipl.-Wirt.Ing. (FH)
Waldhofstraße 36
79117 Freiburg

Telefon +49 761 4510133
Mobil +49 1523 1748611
mail@silke-krischke.de

ANMELDUNG ZUM NEWSLETTER

Sichern Sie sich neue Impulse
– kostenfrei und unverbindlich.