Kultur entwickeln – wirksame Veränderungsprozesse gestalten
22.5.2019 von Silke KrischkePlötzlich reden alle von Kultur – Unternehmenskultur, Führungskultur, Fehlerkultur. Führungskräfte, Personalentwickler, Berater, (Organisations-)„Rebellen“, Organisationsentwickler… Doch was ist Kultur und wie verändert sich diese? Welchen Einfluss haben organisationale Veränderungen auf die Kultur eines Unternehmens?
Welche Führungskraft kennt diese Situation nicht: Die Geschäftsführung ist der Meinung, dass die Veränderungen der Arbeitswelt, die Digitalisierung, das agile Arbeiten und die Erhöhung der Attraktivität als Arbeitgeber eine Überarbeitung der Unternehmenskultur erforderlich machen. Schon bald finden sich die Führungsebene in Kultur- oder Werte-Workshops wieder. Das Ziel dieser Workshops ist es, das Leitbild mit Regeln für die Zusammenarbeit neu zu definieren. Sobald Einigkeit erreicht ist, werden diese Spielregeln nach innen top-down und nach außen auf der Webseite des Unternehmens kommuniziert. Wer genau hinschaut, erkennt schon bald: Am Ende hat sich nichts geändert.
Doch gerade die Veränderungen der Arbeitswelt bedingen Anpassungen an der strategischen Ausrichtung von Organisationen. Die rasanten technologischen Veränderungen, die Komplexität der Anforderungen, Unsicherheiten und die Vielfalt der Einflüsse erfordern Veränderungen von Strukturen und Prozessen. Eine Vielzahl an Change-Initiativen wird gestartet.
Die Zukunft der Organisation gestalten
In Strategierunden trifft sich das Führungsteam, um über die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens zu beraten. Die Vision wird reflektiert und Dynamiken der Märkte, der Gesellschaft und der technologischen Veränderungen fließen unter Berücksichtigung deren Relevanz für die Organisation in die Mission und die Zielbilder ein. Die Identität und die Werte werden diskutiert, nachjustiert und verabschiedet. Mit einem Umsetzungsplan und der Ableitung der operativen Ziele geht die Umsetzung der Strategie in die nächste Runde. „Structure follows strategy“ – dieses legendäre Zitat von Peter Drucker beschreibt treffend die auf die Strategiedefinition folgenden Schritte.
Wie gestalten wir die Strukturen, die Prozesse, die Kommunikation und andere Rahmenbedingungen, um die in den Strategierunden erarbeiteten Ziele zu erreichen? Hier zeigt sich der Einfluss der Kultur auf Strategie und Struktur. Wie passt das, was wir erreichen wollen, zu uns, unserem Unternehmen, unseren Mitarbeitern, unserer Art zusammen zu arbeiten und unseren Werten, also dem, was uns im Miteinander nach innen und außen wichtig ist? Rituale, Werte, Überzeugungen prägen Organisationen – so beschreiben Deal und Kennedy (1982) Organisationskultur als „the way we do things around here”. Jede Veränderung an Strukturen, Prozessen und Abläufen wirkt sich auf die Kultur einer Organisation aus.
Wirksame Veränderung braucht Bewusstsein für prägende Kulturelemente
Doch wie erreichen wir nun die erwünschte (Kultur-)Veränderung? Ein Blick auf das „magische Dreieck der Veränderung“ macht deutlich, dass dafür ein neues Bewusstsein für die Einflüsse von Veränderungen auf die Organisationskultur notwendig ist. Das Dreieck ist ein gedankliches Hilfsmittel und beschreibt den Zusammenhang zwischen der Struktur, der Strategie und der Kultur als sich in Balance befindliches dynamisches System. Veränderungen an Strukturen, an der Strategie oder Kulturveränderungsinitiativen bringen das Dreieck aus dem Gleichgewicht. Es entstehen Ausgleichsbewegungen (nach Stefan Kühl), die – wenn sie nicht erkannt und aktiv gesteuert werden – unerwünschte Rituale und Handlungsweisen nach sich ziehen können. Gescheiterte Veränderungen und fehlende Wirksamkeit initiierter Verbesserungen sind die Folge. Peter Drucker bekräftigt diesen Einfluss von Kultur mit seinem Zitat „Culture eats strategy for breakfast“.
Führungskräfte benötigen Methoden und Werkzeuge, um aktiver auf Kulturveränderungen wirken zu können. Hierzu zählen:
- die Fähigkeit zur Reflexion des eigenen Verhaltens als Kulturstifter und Vorbild
- ein Bewusstsein und die Fähigkeit zur Wahrnehmung von prägenden erwünschten und unerwünschten Kulturelementen bei den Menschen in der Organisation
- die Förderung von Reflexionen zur Zusammenarbeit in Teams durch den Einsatz von Retrospektiven
- die Schaffung von Raum und Ressourcen zur Entwicklung der erwünschten Kultur durch Formate zum interdisziplinärem Austausch, zur Kommunikation und Zusammenarbeit in Teams und über Teams oder Bereiche hinweg
Kultur entsteht als Reaktion auf die herrschenden Verhältnisse in der Organisation
Kulturveränderung bedeutet Verhaltensänderung. Diese braucht Zeit und Vorbilder, da neue Verhaltensweisen geübt und gefestigt werden müssen, bis sie sich als neue Werte verankern. Kultur entsteht als Reaktion auf die herrschenden Verhältnisse in der Organisation. Das bedeutet: Jede Veränderung in den Berichtswegen oder im Zielsystem des Unternehmens, jede Einstellung, jede Versetzung, jede Entlassung und jede Prozessoptimierung hat Einfluss auf die ausgesprochenen und auch die unausgesprochenen Normen, Rituale und Regeln der Zusammenarbeit in den einzelnen Organisationseinheiten. Damit arbeiten Führungskräfte und Mitarbeiter fortlaufend an der Kultur der Organisation – nur eben vielfach unbewusst.
Wer also Strategie, Struktur und Prozesse verändern will, muss auch die Auswirkungen auf die Kultur berücksichtigen. Gleichermaßen müssen Führungskräfte und Change Manager neben erwünschten oder angestrebten Kulturveränderungen, die sich aus Kulturentwicklungsprojekten ergeben, Wechselwirkungen im Hinblick auf Struktur und Strategie berücksichtigen. Die Veränderungsinitiativen, die an den „harten“ Themen von Strategie und Struktur arbeiten, müssen auch die Auswirkungen auf die „soften“ Kulturaspekte berücksichtigen und fördern. Erfolgreiche Veränderung bedarf des Bewusstseins für die Wirkung auf das gesamte „magische“ System.