Erklimmen Sie die Stufen zur Führungsqualität – Im Gespräch mit Frank Pfaff
28.7.2017 von Silke KrischkeDie Maslow’sche Bedürfnispyramide dürfte wohl jedem ein Begriff sein. Dieses Modell findet vor allem im Zusammenhang mit der Motivation von Mitarbeitern und dem menschlichen Bestreben eines jeden Individuums nach Selbstverwirklichung durch Befriedigung individueller Bedürfnisse Anwendung.
Frank Pfaff teilt als langjährige und erfahrene Führungskraft die Begeisterung für Führung mit mir. Die Qualität guter Führung beschäftigt und fasziniert ihn bis heute. Durch Einsätze in verschiedenen Bereichen hat er erkannt, dass das Modell der Maslow’schen Bedürfnispyramide auch im Kontext erfolgreicher Führung anwendbar ist. Erfahren Sie im Interview mit Herrn Pfaff, wie Sie Ihre Führungsqualität Schritt für Schritt verfeinern und aus Ihrem Team ein motiviertes Hochleistungsteam machen.
Herr Pfaff, Führung wird als bedeutsames und relevantes Thema von vielen Führungskräften gerne unterschätzt und auf die leichte Schulter genommen. Sie haben das Thema Führung spannenderweise im Kontext der Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow interpretiert. Was hat Sie hierzu bewegt?
Ich wurde von meinem Chef öfter in Bereichen eingesetzt, in denen die Abteilungsziele weit verfehlt wurden. Dabei habe ich gelernt zu analysieren, warum das so ist/war und was sich ändern muss.
Ähnlich wie bei der Bedürfnispyramide habe ich auf der untersten Ebene angefangen, die Abläufe und die Arbeitsbedingungen zu analysieren, ob die Basics vorhanden sind. Aufbauorganisation und Ablauforganisation müssen passen, damit ein Bereich funktioniert. Arbeitsrechte und Sicherheitsvorgaben sind die Grundlage. Dazu kommt die Kommunikation, die standardisiert sein muss, damit die täglichen Vorgaben auch im Schichtbetrieb funktionieren. Hinzu kommt die Feinplanung auf der Produktionsebene, damit die Zielvorgaben mit der notwendigen Kapazität (technisch und personell) erreicht werden können. Diese Planungsarbeit muss auf die Tagesziele, die Wochenziele und die Monatsziele angepasst sein, damit ein geregelter Ablauf auf der Produktionsebene den Erfolg stabilisiert.
Ich verstehe. Sie haben zunächst die Grund- und Sicherheitsbedürfnisse an die Erreichung der Ziele Ihres Bereichs definiert: Organisatorische Rahmenbedingungen, Sicherheitsvorkehrungen, Kommunikationsregeln. Diese Vorgaben und Regelungen haben Sie dann in Ihrem Bereich umgesetzt und konsequent verfolgt. Wie gestalten Sie die nächste Ebene der Pyramide?
Die nächste Stufe ist für mich, auf Dauer diesen Erfolg zu sichern. Motivation von Mitarbeitern und die Vermeidung von Über- oder Unterforderung sind dann die Hauptaufgaben für mich als Führungskraft, damit die Leistung auf Dauer gehalten werden oder sogar noch gesteigert werden kann, z.B. durch Anpassungsqualifizierung, Job-Rotation oder Job-Enlargement. Das Leistungsprinzip muss gekennzeichnet sein durch klare Strukturen. Verantwortlichkeiten und Personalentscheidungen müssen nachvollziehbar sein. Die guten Mitarbeiter bekommen Anerkennung. Mitarbeiter, die Probleme haben, bekommen Unterstützung, und Abweichungen werden in Kritikgesprächen im persönlichen Rahmen geklärt. Das Leistungsprinzip muss durchgängig vorhanden sein. Diese Stufe ist erreicht, wenn die Standards vorhanden sind, die bei Abweichungen unmittelbar zu Zielkorrekturen führen.
Die letzte Stufe ist die Selbstentfaltung/Selbstverwirklichung der Gruppe oder Arbeitsgemeinschaft innerhalb der Abteilungsaufgabe. Hierzu zählen für mich Elemente wie die Umgangsform im Team / in der Abteilung, Personalplanung, Urlaubsplanung, Sonderaufgaben, Schichtbetrieb, Weiterentwicklung, Weiterbildung einzelner Personen bis hin zu Empfehlungen für neue Arbeitsaufgaben.
Welche Anforderungen gelten in diesem Zusammenhang für die Führungskräfte? Was benötigen diese, um diese Ideen im eigenen Unternehmen anwenden zu können?
Die Umsetzung dieser Art von Führung ist immer eine individuelle Lösung, die die Situation des Unternehmens berücksichtigt. Erfolg oder Misserfolg muss kommuniziert werden, alle relevanten und betroffenen Mitarbeiter müssen eingebunden sein, die Führungsmannschaft muss Hindernisse abbauen oder vermeiden. Nur dann tritt die ständige Verbesserung ein.
Aber alles funktioniert nur, wenn die Führungspersonen geeignet sind. Denn führen heißt auch improvisieren und dabei (die richtigen) Entscheidungen treffen. Führen heißt, mit der richtigen Ansprache und Umgangsform auf die Mitarbeiter zuzugehen. Wenn diese Eignung nicht vorhanden ist, dann wird der Erfolg in der Gemeinschaft schwer. Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz müssen vorhanden sein, nur schulische Qualifikation reicht nicht aus.
Die Maslow’sche Bedürfnispyramide ordnet den verschiedenen Ebenen sogenannte Elementarbedürfnisse zu, die erfüllt sein müssen, damit die nächste Stufe angestrebt und erreicht werden kann. Kann diese Idee der Elemente auch für Ihr Führungsmodell angewandt werden?
Aus der betrieblichen Zusammenarbeit gibt es zu jeder Stufe Elemente die wunderbar zuzuordnen sind:
- Grundbedürfnisse: Fester Arbeitsvertrag, Arbeitszeiteinhaltung, regelmäßige Pausen, keine Überforderung durch zu hohe Mehrarbeit, regelmäßiger Lohn, Urlaub, sozialer Arbeitgeber
- Sicherheitsbedürfnisse: Einhaltung der Sicherheitsvorgaben, Schutzkleidung, Brille, Lärmbelästigung, Gewichtsbelastung, Umweltbelastung, Gefahrenstoffe, stabile Auftragslage
- Soziale Bedürfnisse: Teamarbeit; sich mit Ideen, Lösungen und Vorschlägen einbringen können; ein Teil Eigenorganisation wie Urlaubsplanung, Einarbeitungsverfahren; aber auch die Möglichkeit zu Job-Rotation, Vertreterregelung, flexible Arbeitsplatzgestaltung, Lob und Anerkennung
- Ich-Bedürfnisse: Förderung, Weiterbildung, Seminare, berufsbegleitende Ausbildung, Chef-Vertretung, Sonderstellung wie Sicherheitsbeauftragter, Ersthelfer, Pate/Mentor für Einarbeitung neuer Mitarbeiter, Rüsthilfe, Werkzeugspezialist, gerechte Beurteilung
- Selbstverwirklichung: Zielvereinbarungen zum weiteren persönlichen Werdegang, Aufnahme in Förderkreis, regelmäßige persönliche Rücksprachen, Übertragung von Teilverantwortung etc.
Dazu gehört für mich ein kooperativer Führungsstil und der ständige Abgleich zwischen Soll und Ist innerhalb der Arbeitsaufgabe. Die Führungskraft/Führungsmannschaft muss der Steuermann sein, ansonsten verpuffen die guten Ansätze in Demotivation, Frust und Misserfolg. Die Rolle der Führungskraft bedeutet, regelnd einzugreifen, jedoch bei den Korrekturen die Mitarbeiter einzubinden. Lob, Anerkennung, Kritik und regelmäßige Kommunikation sind die Grundlage für erfolgreiche Führung, um Verhaltensänderungen von Mitarbeitern zu erzielen.
Herr Pfaff, herzlichen Dank für Ihre Gedanken. Der von Ihnen beschriebene Weg des zielorientierten Führens hat heute, in der neuen, agilen Arbeitswelt gleichermaßen Bedeutung für Mitarbeiter, Führungskräfte und damit auch den Erfolg des Unternehmens. Bei Interviews mit Mitarbeitern darf ich immer wieder erleben, wie engagiert diese sind, sie haben Ideen, um Prozesse und Abläufe zu verbessern, sie möchten sich einbringen und mitgestalten. Viele Chefs nutzen diese Potenziale teilweise noch zu wenig. Sie scheuen sich vor Diskussionen, Konflikten und den Umgang mit Widerständen. Und häufig fehlen Ziele. Dabei sind es gerade die Ziele, die Bewegung erst ermöglichen. Ohne Ziele gibt es keinen Antrieb, keinen Sinn, etwas erreichen zu wollen – einen Berg zu besteigen, eine eigene Familie zu haben, ein Häuschen zu bauen… oder eben ein Teamergebnis, einen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens zu erzielen. Ihre Gedanken sind Schritte für Führungskräfte, um die Führungsqualität zu steigern. Herzlichen Dank dafür.