4 wirksame Tipps für bessere Entscheidungen
17.3.2020 von Silke KrischkeEs ist Montagvormittag. Die wöchentliche Gruppenbesprechung des Vertriebs steht an. Diverse Entscheidungsbedarfe stehen auf der Agenda. Kaum sind alle anwesend, beginnen die Gespräche und Diskussionen rund um die anstehenden Entscheidungen. Jeder bringt seine Sichtweise auf das Problem ein, für Lösungsoptionen bleibt kein Raum. Die Diskussion zieht sich endlos. Nach einiger Zeit wiederholen sich die Argumente. Ein Moderator ist nicht vorhanden oder seine Versuche, die Entscheidung zum Ziel zu führen, werden ignoriert. Die Zeit ist bei weitem überschritten, als sich endlich der Entscheidungszeitpunkt anbahnt. Doch auch dieser Versuch scheitert, da einer der Anwesenden geschickt das Thema wechselt und die Entscheidung damit vertagt wird.
Kommen Ihnen diese oder vergleichbare Situationen bekannt vor? Sie spiegeln den typischen und oft unerträglichen Alltag in vielen Unternehmen wider. Warum laufen Arbeits- und Entscheidungstreffen oft so desaströs ab? Weil die Beteiligten glauben, ein harmonisches Ergebnis erzielen zu müssen, das alle gut finden? Weil Struktur und Moderator fehlen? Weil Entscheidungen Veränderungen und damit Risiken, Druck und Bedrohungen nach sich ziehen?
Entscheidungen müssen ständig getroffen werden
Und dennoch: Entscheidungen müssen ständig getroffen werden, und dafür brauchen Organisationen unabhängig von den Führungsstrukturen (hierarchisch oder partizipativ/selbstorganisiert) Praktiken und Prinzipien, um zu guten Entscheidungen zu kommen. Selbst in einer digitalisierten Welt, in der Algorithmen Routineentscheidungen abnehmen, sind es die Menschen, die sich mit komplexen Fragestellungen auseinandersetzen und über die Maßnahmen entscheiden.
Entscheiden ist schwierig
Seien wir ehrlich: Entscheiden ist eine schwierige Angelegenheit. Abgesehen davon, dass die zur Entscheidung stehenden Alternativen meist den Eindruck von Entscheidungen zwischen Pest und Cholera entstehen lassen, so spielen weitere Aspekte eine bedeutende Rolle:
- die Begrenzung der verfügbaren Ressourcen in Form von Budgets, personeller Ausstattung, Wissen o.ä.
- die Zuständigkeiten und Informationsflüsse – formell wie informell
- partikulare Interessen von Bereichen oder Individuen
- die Unsicherheit über die Folgen einer Entscheidung
- Wettbewerb, der dazu führt, dass Entscheidungen in Unsicherheit getroffen werden müssen
Wie schaffen wir es, zu besseren Entscheidungen zu kommen?
1. Gefühl und Verstand mitreden lassen
Im Unterbewussten verdrahtete menschliche Denkgewohnheiten liefern meist gute bis sehr gute Ergebnisse. Um gute Entscheidungen zu treffen, müssen wir Verstand und Unbewusstes in Einklang bringen, sagt die Psychologin Dr. Maja Storch (Institut für Selbstmanagement und Motivation Zürich ISMZ). Das Bauchgefühl ist jedoch nicht immer eindeutig. Das unbewusste Bewertungssystem kann widersprüchliche Signale aussenden. Um in so einem Fall dennoch zu einer klaren Entscheidung zu kommen, hat Maja Storch am ISMZ die Affektbilanz entwickelt. Dieses einfache Tool hilft, Ordnung in eine diffuse Gefühlslage zu bringen. Mit der Affektbilanz können Sie eine fundierte und gute Entscheidung treffen, die nicht allein auf sachlichen Argumenten beruht, sondern auch vom Bauch mitgetragen wird. Wie Sie eine Affektbilanz erstellen, erfahren Sie am Ende des Beitrags.
Dirk Osmetz und Stefan Kaduk, die als Musterbrecher bekannt sind, beschrieben ihr Vorgehen, zu Entscheidungen zu kommen, in einem Interview für HaysWorld 2018 wie folgt: „Wir glauben bis heute an rational-klassische Entscheidungszyklen: Wir analysieren die Ausgangslage, wir legen Optionen aus, wir definieren ein Ziel. Und dann versuchen wir, die Optionen mit dem Ziel abzugleichen – mithilfe von Nutzwertanalysen. De facto entscheiden wir aber meist emotional und finden im Nachhinein Gründe, sie rational zu kommunizieren. Daher sollten wir emotionalen Entscheidungen in Organisationen mehr Raum geben. (…) Die besten Entscheidungen treffen wir, wenn wir sie intensiv vorbereiten, sie dann ruhen lassen und anschließend emotional fällen.“ Link zu HaysWorld 2018
2. Ziele und Entscheidungsalternativen klar herausarbeiten
Wie das Beispiel der Musterbrecher verdeutlicht, bilden rationale Entscheidungszyklen die Grundlage guten Entscheidens. Dabei sollten alle Alternativen in Betracht gezogen werden – auch der Status Quo. Jede Entscheidung führt zu Veränderungen, die Risiken, Unsicherheit und neue Verantwortungen nach sich ziehen.
Definieren Sie klare Ziele und hinterfragen Sie die aktuelle Situation. Die drei Fragen der Veränderung nach Prof. Dr. Rudolf Wimmer sind hilfreiche Interventionen:
- Warum weg von hier? – Hinterfragen Sie den Ist-Zustand und den Handlungsbedarf kritisch: Welche Chancen bietet eine Veränderung und welche Risiken kann diese mit sich bringen? Was gewinnen wir, wenn wir den Status Quo erhalten, und wie kann uns dieser zukünftig blockieren?
- Wohin wollen wir? – Definieren Sie das zu erreichende Zielbild so klar und präzise wie möglich.
- Wie kommen wir dahin? – Erarbeiten Sie Entscheidungsoptionen, hinterlegen Sie diese mit entscheidungsrelevanten Daten und Bewertungen.
Jede Entscheidung basiert auf der Grundlage von Zahlen, die die Zukunft beschreiben. Doch selbst Schätzungen und Prognosen unterliegen Unsicherheiten. Es empfiehlt sich daher, eine selbstkritische Position einzunehmen und eigene Annahmen zu hinterfragen. Hilfreich ist es dabei, in die Vorbereitung möglichst viele zu involvieren und auf diese Weise die Anzahl an Perspektiven und Erfahrungen zu vergrößern.
3. Entscheidungsrelevante Informationen sammeln und berücksichtigen
Wir neigen dazu, präsente Informationen, also Informationen, die noch in Erinnerung sind oder als erste auftauchen, zu hoch zu gewichten. Oder wir recherchieren Argumente, die der vorgefassten Meinung entsprechen – nach dem Motto: was nicht passt, wird passend gemacht… oder ausgeblendet.
Gute Entscheidungen brauchen eine selbstkritische Haltung der Entscheidenden. Sie müssen offen dafür sein, die eigenen vorgefassten Meinungen zu hinterfragen:
- Besprechen Sie Sachverhalte unter mehreren Aspekten.
- Machen Sie es sich bewusst zur Aufgabe, für jede Entscheidungsoption drei Gegenargumente zu erarbeiten.
- Nutzen Sie Informationen aus unterschiedlichen Quellen.
- Die Meinung von Kritikern oder Unbeteiligten bringen neue Sichtweisen an die Oberfläche und erweitern die Argumentationskette.
- Bevor Sie Informationen anderer begutachten, bedenken Sie den Sachverhalt für sich selbst.
4. Entwickeln und unterstützen Sie eine offene Fehlerkultur
Entscheidungen werden immer in Unsicherheit getroffen. Die Zukunft zeigt, ob mit den getroffenen Annahmen und Entscheidungen die geplanten Ziele erreicht werden. Das Risiko von Fehlentscheidungen ist hoch. Oft trauen sich Entscheider nicht, Fehlentscheidungen einzugestehen. Das führt dazu, dass nachfolgende Entscheidungen so getroffen werden, dass Fehler kaschiert und nicht behoben werden. Gutes Geld wird schlechtem hinterhergeworfen:
- Binden Sie Menschen in die Entscheidungsfindung ein, die mit den früheren Entscheidungen nichts zu tun haben.
- Verdeutlichen Sie die Auswirkungen, die die Revision einer früheren, schlechten Entscheidung für die Betroffenen bietet (ökonomisch und emotional).
- Fördern Sie eine Kultur, in der sich Menschen trauen, falsche Entscheidungen zu revidieren.
Berücksichtigen Sie diese Tipps und Sie erhalten als Entscheider zunehmend Sicherheit und Gewissheit für die Entscheidungsbedarfe. Damit schaffen Sie die Grundlage, um Situationen wie die eingangs erwähnte Vertriebsbesprechung zu bewältigen.
Erfahren Sie in einem meiner nächsten Blog-Beiträge mehr über Entscheidungsprozesse in Teams und darüber, wie sie am Beispiel unserer Vertriebsbesprechung alle Anwesenden systematisch und strukturiert an der Entscheidungsfindung beteiligen, jeder zu Wort kommt und im zeitlich verfügbaren Rahmen eine Entscheidung getroffen wird – stay tuned.
Die Affektbilanz nach Maja Storch
So erstellen Sie eine Affektbilanz:
- Malen Sie für jede Entscheidungsoption zwei Skalen von Null bis 100 auf ein Blatt Papier. Auf der einen Skala markieren Sie möglichst spontan Ihre positiven Gefühle für die jeweilige Option, auf der anderen die negativen.
- Im nächsten Schritt hinterfragen Sie das gefühlte Ergebnis mit dem Verstand: Woher kommen diese Gefühle? Welche Gründe könnte es für negative oder positive Emotionen jeweils geben? Notieren Sie die Gründe.
- Nun überlegen Sie anhand der Liste, ob und wie sich Ihre Bewertung ändern lässt. Am besten fangen Sie mit den negativen Gefühlen an und überlegen, wie sie sich möglicherweise soweit reduzieren lassen, dass Ihnen eine Entscheidung für diese Option ohne innere Widerstände möglich ist. Schildern Sie das Problem auch unbeteiligten Personen und fragen Sie nach Lösungsvorschlägen.